Folge 1:
Warum dauert es so lange?
Wann kommt er endlich, der neue Krimi?
In 19 Wochen. Oh. Wieso noch 19 Wochen? Zugegeben: Warten fällt mir auch schwer. Und ich bin froh und glücklich, dass ihr mir so lange treu geblieben seid.
Nun darf ich endlich Details verraten: Das neue Buch erscheint am 10. April als Spitzentitel im Heyne Verlag und heißt #Mordkapelle.
Damit die Zeit bis dahin nicht so lang wird, habe ich für euch ein „making of“ geschrieben, denn es ist schon ein Abenteuer, wie so ein Verlagstitel entsteht.
Ein Team motivierter, engagierter und kompetenter Buchmenschen hat daran mitgearbeitet, und ich möchte sie euch nach und nach vorstellen.
Den Weg von der Idee in meinem Kopf bis zu einem 400-Seiten-Buch, das für 9,99 Euro in der Buchhandlung liegt, finde ich beeindruckend. Deswegen möchte ich euch gerne auf diesen Weg mitnehmen.
Jeden Samstag erscheint nun eine neue Folge der Mini-Serie #Mordkapelle.
Viel Spaß beim Lesen wünscht
eure Carla
Folge 2: noch 18 Wochen
Im November 2014 ist ein großer Publikumsverlag an meinen Krimis interessiert – und ich kann vor Aufregung nicht mehr schlafen. Aus heiterem Himmel kam eine Mail mit der Frage, ob ich mir trotz des Erfolges als Selfpublisherin vorstellen könnte, in einem renommierten Verlag zu veröffentlichen.
Och. Naja. Schon.
Sollte ich mein Ziel, das ich zwischenzeitlich fast aus den Augen verloren habe, nach über zwanzig Jahren tatsächlich erreichen?
Der Verlag will natürlich einen neuen, vierten Roman. Am dritten, Tunnelspiel, schreibe ich grade, er soll im März erscheinen.
Aber nebenbei nachdenken kann ich ja schon mal. Ich habe einige Ideen, aber keine begeistert mich länger als zwei Wochen.
Es wird Januar 2015. Ja, ich will diesen Verlagsvertrag – und dafür muss ich einen Projektvorschlag präsentieren. Ich habe ein einziges Wort im Kopf, das ich nicht loswerde, es ist ein Straßenname: Mordkapellenpfad. Als wir noch in Bonn wohnten, bin ich dort oft mit dem Hund spazieren gegangen. Das Wort klingt wie ein Krimi, also suche ich im Internet, was es zu bedeuten hat. Angeblich wurden an dieser Stätte Cassius und Florentius mit weiteren Gefährten hingerichtet – so will es die mündliche Überlieferung wissen. Beim Marterfest gedenkt die Endenicher Pfarrgemeinde der Stadtpatrone: Jedes Jahr zieht eine Prozession zur so genannten Märtyrer- oder #Mordkapelle und nach einer Andacht zurück in die Pfarrkirche.
Das ist wirklich eine gruselige Geschichte, aber noch lange kein Roman.
Folge 3: noch 17 Wochen
Februar/März 2015
Endlich wird die Idee zu einer neuen Story ein bisschen konkreter. Also entwerfe ich einen Plot. Und noch einen. Den schildere ich meinem Agenten Georg Simader.
Okay okay, er ist ein bisschen konfus. Nicht der Agent, sondern der Plot. Der Agent meint ganz trocken, es gäbe eben Autoren, die könnten keine Exposés schreiben und sagt: »Wir machen das schon.« Ich entwerfe munter weiter.
Wie immer beginne ich mit der Leiche und dem Fundort. Es soll ein Mordfall sein, der sich in einer Kapelle abspielt. Mordkapelle. Aber: Wer könnte tot in einer Kapelle sein – und warum? Wie kam die Leiche dahin und unter welchen Umständen ist sie eine geworden? Wer ist das überhaupt? Ein paar Tage lang komme ich über die Figur der Leiche nicht hinaus.
Sicher ist aber, dass die Bewohner von Hof Eskendor alle wieder dabei sind. Die Reporterin Ira Wittekind, ihr Freund Andy, Tante Friedchen und Tante Sophie. Apropos Bewohner: Nach einer Lesung in Bad Oeynhausen, ich glaube, es ging um „Sonntags Tod“, kam eine der wirklichen Bewohnerinnen des Hofes zu mir. Ich kannte sie noch aus meiner Kindheit und habe mit besonderer Freude ihr Buch signiert.
Folge 4: noch 16 Wochen
April 2015, jetzt wird es spannend: Mir fallen plötzlich die handschriftlichen Aufzeichnungen einer alten Dame wieder ein. Meine Freundin G. hatte ein Jahr zuvor beim Kölsch im Brauhaus zu mir gesagt: »Also ich kenne da eine Familiengeschichte, die ist so verrückt, wenn du daraus ein Buch machst, das glaubt dir wahrscheinlich kein Mensch.«
Ich wurde sehr sehr hellhörig und hakte sofort nach. Kurz darauf hielt ich die Unterlagen in den Händen. Die alte Dame übergab sie mir mit den Worten: »Wenn jemand einen Roman daraus machen kann, dann sind Sie das!« Im April 2015 also suche ich diese Unterlagen wieder heraus, lese sie erneut – und bin wie elektrisiert: Das ist es! Das ist der Stoff, aus dem „Mordkapelle“ wird. Es ist mir eine Ehre, liebe Frau S. aus W.
Und obwohl es jetzt, im Dezember 2016, noch immer endlose 16 Wochen dauert, bis das neue Buch erscheint, sind im Verlag längst alle Weichen gestellt. Von Erika Wagner zum Beispiel, die als Social Media Marketing Managerin für die Werbung im weltweiten Web zuständig ist. „Facebook, Twitter – ich bin auf allen Kanälen für uns aktiv!“ Und das ist sie, die Erika – gestern noch Mitarbeiterin in einem Start-up, heute bei Heyne in München:
Folge 5: noch 15 Wochen
April/Mai 2015:
Ich wähle einen Namen, ein Aussehen und erfinde eine Vita. Ein Mann, er war attraktiv, er war alt und hieß Ludwig. Der schöne Ludwig, der westfälische Kleiderschrank, so nannten ihn die Leute. Und er wurde brennend in einer Friedhofskapelle gefunden.
In der fiktiven Biografie lerne ich meine Figur kennen: Ludwig war breitschultrig und groß, hatte blaue Augen und ein besonderes Lächeln. Wann und wo wurde er geboren, wer waren seine Eltern? Wo ging er zur Schule, wie wuchs er auf, wo hat er studiert? Wo lernte er die erste Frau kenne, wo die zweite? Wer sind seine Kinder, wie ist sein Verhältnis zu ihnen? Was erzählen seine Freunde, Nachbarn und Mitarbeiter über ihn? Ich erfinde seine Hobbys, seine Fähigkeiten, seine Träume, seine Angst, seine Stärken, sein Mantra und seinen Konflikt. Zwanzig Seiten lang führe ich ein Interview mit ihm, stelle Fragen, erfinde die Antworten, sehe ihn vor mir.
Was ist sein Geheimnis? Warum ist er so brutal getötet worden?
Während einer Reise im Mai – die lange vor dem Entwurf des Romans geplant war – besuchen wir unter anderem St. Paul de Vence – und Freunde im Nachbarort La Colle sur Loup. Auf dem Fußweg dorthin entdecke ich plötzlich ein Haus, vor dem ich wie angewurzelt stehenbleibe. Mein Herz rast, die Hände werden feucht, mir stockt der Atem. Das ist es! Dieser Ort wird in dem Buch eine wichtige Rolle spielen.
Letzte Woche erzählte ich Ihnen von den handschriftlichen Aufzeichnungen der alten Dame, die mir die Idee zu diesem Buch lieferten. Die wahre Geschichte spielte sich vor vielen Jahren irgendwo in Italien ab. Jetzt beginnt mein Part: Ich spiele Schicksal und verwandle die Wahrheit in eine Geschichte. Das Abenteuer hat begonnen.
Folge 6: noch 14 Wochen
Mitte Juni fliegen wir für ein paar Tage nach Schweden, Freunde haben uns eingeladen, mit ihnen Midsommar zu feiern.
Es ist eine Szene wie in einem Film: Martin und ich landen mittags auf dem Flughafen Arlanda in Stockholm, haben eben das Gepäck abgeholt und sind auf dem Weg zum dem Zug, mit dem wir nach Nordschweden weiterreisen wollen, als mein Handy klingelt. Im gehen schaue ich auf das Display und sage diesen filmreifen Satz, den ich schon immer mal sagen wollte: »Schatz, warte mal bitte, das ist mein Agent, da muss ich rangehen!«
Kurz vor dem Urlaub hatte Georg Simader mir mitgeteilt, dass er dem Heyne-Verlag »Sonntags Tod« geschickt hatte. Und als ich höre, was er am Telefon sagt, falle ich fast in Ohnmacht. Meine nächsten Töne klingen schrill und international. Blut rauscht in meinen Ohren, der Trubel des Stockholmer Flughafens wird dagegen immer leiser, meine Kehle ist trocken, mein Herz rast. Nachdem ich aufgelegt habe, setze ich mich auf meinen Koffer. Mein Mund steht offen, ich halte das Handy in der Hand und schaue fassungslos auf das Display. Martin fragt besorgt: »Schatz, was ist passiert?« Ich starre ihn an, dann wieder mein Handy, kann nicht antworten, die Stimme gehorcht mir erst nach mehrmaligem räuspern.
»Ja. Also. Georg sagt, die bei Heyne zuständige Dame habe Sonntags Tod gelesen und gesagt, genau sowas haben sie gesucht.«
Wie in Zeitlupe stehe ich auf und sinke glücklich in seine Arme. Es wird ein wunderbarer Urlaub, in dem ich so entspannt bin wie selten.
Folge 7: noch 13 Wochen
Es ist Juli 2015. Meine Hauptfigur Ludwig Hahnwald, der schöne Ludwig, wie die Leute ihn zu Lebzeiten nannten, muss vor seinem gruseligen Tod auch ein normales Leben gehabt haben, ein Zuhause, in dem er mit seiner Familie lebte. Wochenlang ziehe ich mit meiner Kamera durch mehrere Städte, bis ich schließlich dieses ungewöhnliche Haus finde, von dem ich nur die Fassade kenne. Natürlich habe ich es nie betreten, aber in meiner Fantasie wird es zum Domizil des Ludwig Hahnwald – und wenn es erzählen könnte …
Außerdem besuche ich die Agentur Copywrite in Frankfurt. Zum ersten Mal begegnen wir uns live, und alles passt. Georg Simader handelt mit dem Heyne Verlag Konditionen aus, mit denen ich leben kann. Mit diesem Vertrag im Rücken halte ich die lange Zeit durch, die es dauern wird, bis das Buch fertig ist und in der Buchhandlung liegen wird. Von Juli 2015 bis April 2017 durchzuhalten, ohne die Geduld zu verlieren, verlangt meinem Temperament nahezu unmögliches ab.
Folge 8: noch 12 Wochen
August – Oktober 2015: Die Biografiewand füllt sich: Zehn Hauptpersonen spielen mit – außerdem natürlich Ira Wittekind und Andy Weyer, die schrulligen Tanten Friedchen und Sophie und die anderen Bewohner von Eskendor.
Alle Personen sind fertig erfunden, ich habe sie alle einzeln ausführlich interviewt, um ihre Sprache zu hören, ihre Ausdrucksweise, ihre Stimmen. Nein, Stimmenhören ist etwas anderes.
Nun entwerfe ich einen Kapitelplan, etwa dreißig Seiten lang. Jedes Kapitel teile ich in Szenen auf, damit ist die Geschichte im Groben skizziert und strukturiert. Das heißt jedoch nicht, dass ich mich daran halte – die Vorarbeiten sind eigentlich nur eine Art Geländer, ein Gerüst, das mir hilft, den Faden nicht zu verlieren. Aber sehr oft kommen mir beim Schreiben neue Ideen und ich mache alles ganz anders als geplant.
Ich lebe wochenlang in Südfrankreich – ohne Köln zu verlassen, ich bin auf Hof Eskendor, in dem kleinen Ort Rehme in Ostwestfalen, in Bad Oeynhausen.
Das rote Haus, das Anwesen in La Colle – ich war noch nie dort, aber in meiner Fantasie kenne ich jedes Zimmer.
Mir zur Seite: Meine Mitleser Vici Daniel, Kriminalhauptkommissar Markus Sprenger, Rechtsanwalt Bernd Brockmann, Apothekerin Eveline Taut, Sabine und Paul Zanders, Andrea Hübner, Helmut Klanke, Petra Seitzmayer. Und Martin, mein Mann, natürlich – was wäre ich ohne ihn!
Die Schauplätze:
Folge 9: noch 11 Wochen
Deadline. Am 5. Dezember 2015 schicke ich die erste Version der Rohfassung an meine Lektorin bei Heyne. Es sind genau 550 Seiten. Und dann warte ich. Bis Januar 2016. Das Manuskript kommt zurück. Mit weit über 1000 Kommentaren, Anmerkungen, Fehlern, Vorschlägen. Immer wieder steht da: »Show, don’t tell!« oder: „auserzählen!“ oder: „Ausführlicher“ oder „kürzer!“
Ich feuere Stifte und Papierknäuel durch die Gegend (wäre ich zwanzig Jahre jünger, wäre es Geschirr gewesen, das Alter hat auch Vorteile…), schreie meinen Computer an, aber der bleibt total cool.
Im März 2016 habe ich das Buch wieder überarbeitet – und muss eingestehen, dass ich eine Menge gelernt habe. Vieles habe ich angenommen – einiges aber auch nicht. Darüber diskutieren wir, die Lektorin und ich. Schließlich gebe ich um die 600 Seiten ab. Im April kommt es erneut zurück. Die nächste Runde der Überarbeitung beginnt. Ich hatte aber auch ein paar Klopper drin …
Aber manchmal habe ich Recht und muss mich durchsetzen. Was wunderbar auf Augenhöhe gelingt.
Im Mai gebe ich die nächste Version ab. Jetzt sind es wieder nur noch um die 450 Seiten. Nun beginnen meine Zweifel. Ist die Story gut oder nicht? Spannend oder nicht? Gute Unterhaltung oder nicht? Seit einem Jahr lebe ich nun schon in dieser Geschichte – und bin ein bisschen müde. Wenn es doch nur nicht so lange dauern würde bis es erscheint, noch einmal fast ein Jahr, wie soll ich das denn nur aushalten?
Folge 10: noch 10 Wochen
Ende Juni 2016: Die Lektorin Angelika Lieke schickt mir die allerletzte Version des Manuskriptes zu. Wenn ich sie nicht hätte? Nun, dann hätte es in einer Szene einen Verstorbenen gegeben, der einen Brief schreibt – und anderen Unsinn …
Ich speichere die Datei unter einem neuen Namen und nehme in dieser Version alle Änderungen an. Warum? Weil ich denke, dass ich beim lesen ohne Anmerkungen und Kommentare sofort merken werde, wenn etwas unklar ist oder nicht so klingt, wie ich es möchte. Ich habe nichts auszusetzen! Wenn Frau Lieke etwas geändert oder eingefügt hat, fällt es mir nicht auf, so genau hat sie meinen Ton getroffen. Glück pur. Darauf trinken mein Mann und ich eine Flasche Sekt. Es können auch zwei gewesen sein. Weil das Buch nun eigentlich fertig ist.
Uneigentlich geht es jetzt ins Korrektorat.
Und Mitte August bekomme ich zum ersten Mal das Cover zu sehen. Und bin hin und weg. Ich habe Mitspracherecht, könnte etwas ändern lassen, wenn mir etwas nicht gefiele, aber das ist nicht nötig. Ich liebe es.